Wo ist die Pfanne? Der Hype um Food Blogs macht keinen satt
Dass Food Blogs inzwischen zu den erfolgreichsten Webseiten überhaupt gehören, dürfte sich herumgesprochen haben. Nicht nur das: Es hat sich um sie herum ein riesiger und profitabler Wirtschatfszweig gebildet, der von Hollywood-Verfilmungen bis hin zu aufwendig gestalteten Fotobänden reicht. Tatsächlich sind wenige andere Formate sind derart „zeitgemäß“. Food Blogs, und das macht einen großen Teil ihres Charms aus, sind keine einfachen Rezeptesammlungen, sondern Lifestyle-Dienstleister. Sie wollen nicht nur über Essen reden, sondern immer auch über die Geschichten, die sich dahinter verbergen. Und ihre Autoren sind, wie es Lindsay von der Seite Love and Oliveoil auf den Punkt bringt, keine anonymen Köche in unbezahlbaren Viersternerestaurants, sondern Menschen wie du und ich: „Hinter den Rezepten verbirgt sich immer auch eine Person.“ Auf den Punkt gebracht verbinden Food Blogs funktionale Aspekte wie Ernährung, Kochen und Rezepte mit persönlichen Offenbarungen und sozialen Aspekten. Das Ergebnis ist, im besten Fall, nicht nur leerreich und anregend sondern zudem unterhaltsam und anrührend zugleich.
Food Blogs als Selbstfindung
In gewisser Weise sind Kochblogs die neuen, besseren Selbstfindungsseiten, auf denen man seine eigene Persönlichkeit nach außen kehren, dabei aber dennoch dezent im Hintergrund bleiben kann. Aspekte wie Design werden dabei zu maßgeblichen Faktoren, weil sich in der Ästhetik einer Seite bereits der Anspruch ausdrückt, Essen mit mehr Respekt zu begegnen als die industrualisierte Lebensmittelindustrie. Die meisten von ihnen bringen dieses Selbstverständnis zumindest optisch zum Ausdruck: Eine Seite wie die genannte Love and Oliveoil, das von Matt Armedariz betriebene Mattbites , die persönliche Page von Sternekoch David Leibowitz oder Canelle et Vanille sind gute Beispiele für die neue Ästhetik im kulinarischen Web. Doch das unbestrittene Highlight der Szene ist delicious days, die Seite der Münchnerin Nicole Stich, die das erfolgreichste Food Blog überhaupt leitet und damit inzwischen sogar in Tageszeitungen wie der Süddeutschen gefeiert wird.
Alle diese Blogs sind tatsächlich wunderbar anzusehen. delicious days ist für mich persönlich sogar die schönste und am besten programmierte Seite im ganzen Netz: Nirgendwo bekommt man so sehr das Gefühl, man blättere durch eine edle Printzeitschrift wie hier, kaum jemand nutzt so gekonnt die Interaktivität des Webs zu seinen Gunsten und verlässt sich auf die zeitlose Qualität der Rezepte, statt fieberhaft jeden Tag neue Inhalte hochzuladen. Mittlerweile gibt es gleich zwei delicious days Kochbücher, die nahtlos an die Gestaltung der Seite anknüpfen und Fans mit neuen Rezepten verwöhnen. Für diese Geschmackssicherheit wurde man dann auch zurecht mit Berichten in großen deutschen Tageszeitungen sowie einem Abo auf Einträge in die Top-10 der besten Food Blogs belohnt. Sie übertreibt deswegen nicht, wenn sie ihren Partner Oliver ebenso für den Erfolg verantwortlich macht, wie ihre eigenen Rezepte. Denn dessen Talente als Fotograf sind es erst, welche delicous days herausheben und einen Besuch auf dem Blog wie einen kleinen Ausflug erscheinen lassen.
Wo ist die Pfanne?
Genau das aber ist auch das kleine Problem an der Angelegenheit. Die Fragen, die ich mir nach einem entspannten Besuch der genannten Seiten immer wieder stelle sind: Sehen so wirklich richtige Küchen aus? Sieht so echtes Essen aus? Sind das wirklich Rezepte, die mehr als nur ein Bruchteil aller Besucher auch nachkochen wird? Eher ist es doch so: Seiten wie delicious days feiern Nahrung als Ästhetik und Kochen als Kunst, zelebrieren traumhafte Ernährung als eine kleine Flucht aus der harten Realität. Aber sie annimieren eher selten dazu, selbst die Pfanne in die Hand zu nehmen und handgreiflich zu werden. Es ist wie bei Kochsendungen im Fernsehen: Vom Zusehen alleine wird man nicht satt, sondern bekommt nur noch mehr hunger.
Photo: Raphael Mack / http://www.raphael-mack.de